Friday 5 January 2018

Die minimalistischen Anfänge des Krautrock: A. R. & MACHINES

In der Echoschleife

Ex-Rattle Achim Reichel kehrt mit seinem Krautrock-Projekt A.R. & Machines ins Scheinwerferlicht zurück


cw. In den sechziger Jahren wurde er mit den Rattles zum Popstar. Dann hob Achim Reichel 1970 mit A.R. & Machines ein psychedelisches Krautrock-Projekt aus der Taufe, das mit Loops und Echo-Gitarre arbeitete und revolutionär für die damalige Zeit war. Eine 10er-CD-Box unter dem Titel „The Art of German Psychedelic“ (BMG / Warner) dokumentiert jetzt diese abenteuerliche Phase in Reichels über 50jähriger Karriere. Für einen ausverkauften Auftritt in der Hamburger Elbphilharmonie hat er das Bandprojekt im September zu neuem Leben erweckt.

”Ich war ja noch ein ganz junger Kerl, als das mit den Rattles anfing,“ erinnert sich der Hamburger. ”Wir gewannen den Star-Club-Bandwettstreit, wurden zu einer Art Hausband dort, waren mit den Beatles auf Deutschland-Tour und sind mit den Stones in England aufgetreten. Für uns war das alles zu schön, um wahr zu sein.“ Der Einberufungsbefehl riß Reichel 1966 aus seinem Popstar-Dasein. Auch sein Manager konnte ihm den Wehrdienst nicht ersparen. Nach der Entlassung war seine Stelle bei den Rattles besetzt: Reichel gründete daraufhin 1968 die Gruppe Wonderland, die unter der Ägide von James Last, der als Produzent fungierte, mit „Moscow“ einen Hit landete. 

Doch Reichel hatte kühnere Pläne: 1970 gründete er A.R. & Machines, ein Bandprojekt, das sich der Underground-Rockmusik widmete und in dessen Zentrum Reichels Echo-Gitarre stand. Das waren ziemlich verwegene Klänge für einen ehemaligen Beatmusiker. Alben wie „Sgt. Pepper“ von den Beatles hatten die Tür aufgestoßen und Reichel animiert, sich als Schallplattenproduzent zu betätigen, wobei er deutsche Rockgruppen wie Ougenweide und Novalis im Studio betreute. Das Interesse an den Möglichkeiten des Studios wuchs, sein musikalischer Horizont weitete sich.
Ein Knopfdruck brachte dann die Erleuchtung. Als er eines Tages mit seinem neuen Akai-Tonbandgerät herumspielte, drückte er die Aufnahmetaste: „Das Gerät spielte alle Gitarrenläufe zurück, wodurch ein Gitarrenwald von musikalischen Linien entstand, die sich überlagerten und eine Polyphonie ergaben,“ erinnert sich Reichel an das Schlüsselerlebnis. „Ich dachte: ‘Das ist ja Wahnsinn!’ und überlegte, was ich damit machen konnte.“

Reichel rief die Band A.R. & Machines ins Leben, nahm das Debut-Album „Die grüne Reise“ auf und trat bald bei Underground-Festival auf, wie den Deutschrock-Meetings der Petards in Bad Hersfeld. 1972 eröffnete er mit seinem Loop-Rock vor 70 000 Popjüngern das 2. British Rock Meeting in Germersheim. „Wir haben das als eine Art Sessionmusik verstanden,“ erklärt er. „Es wurde viel improvisiert. Das war eine Musik, die ein gewisses Risiko beinhaltete und manchmal bewegten wir uns auf verdammt dünnem Eis.“

Bei den Krautrock-Festivals wurde der „Rock ‘n’ Roll-Fuzzi“ mißträuisch beäugt. „Was will den der hier?“ schienen sich einige zu fragen. Doch Reichel ließ sich nicht beirren. Vier Jahre lang war er mit den Machines aktiv, dann war das kreative Potential ausgereizt und er wandte sich anderen Projekten zu.
 

Als er letztes Jahr an der Wiederveröffentlichung des Gesamtwerks arbeitete, traf er zufällig seinen ehemaligen Konzertagenten Carsten Jahnke, der ihn drängte, das Projekt doch in der neueröffneten Hamburger Elbphilharmonie vorzustellen. Obwohl Reichel anfangs skeptisch war, wurde das Konzert ein phänomenaler Erfolg. Der ausverkaufte Saal jubelte dem Altrocker zu. Das Konzert in der Elbphilharmonie hat es leider nicht mehr in die CD-Box geschafft. Doch vielleicht wird es ja zu einem späteren Zeitpunkt noch veröffentlicht.

In der aktuellen Nummer der Musikzeitschrift JAZZTHETIK (Nr. 1/2, 2018) befindet sich ein Interview, das ich mich Achim Reichel über diese Phase seiner Karriere geführt habe.

A.R. & Machines: The Art of German Psychedelic 1970-1974 (10er CD-Box, BMG / Warner)

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