Friday 28 October 2016

FRAKTUS: Die "Elektroschocker" kehren zurück

Fraktus wird Wirklichkeit

Der parodistische Kult-Film über die fiktive Popband erlebt eine Fortsetzung als Rock-Revue – im oberschwäbischen Scheer findet die bundesdeutsche Premiere statt

cw. Unter dem Namen “Spoof” (=Täuschung, Parodie) exitiert in der englischsprachigen Filmwelt eine Gattung, die als wirklichkeitsnahe Dokumentation daherkommt, in Wirklichkeit aber nichts anderes als eine clever gemachte Verballhornung mit viel Witz und Ironie ist. Ein derartiger “Lügenfilm” wird auch als “Mockumentary” bezeichnet, ein Kunstwort, das sich aus “to mock” (=verspotten) und “Documentary” (=Dokumentarfilm) zusammensetzt.

“This is Spinal Tap” lautete der Titel der berühmtesten “Music Mockumentary” von 1984, die sich über das Popgeschäft im allgemeinen und über die Aufgeblasenheit einer Heavy-Metal-Band im besonderen lustig macht.

“Fraktus” heißt das deutsche Äquivalent: Der Film von Lars Jessen aus dem Jahr 2012 erzählt von der Karriere der angeblich berühmten deutschen Popgruppe Fraktus, die als die “Urväter von Techno” beschrieben werden und sich als “Elektroschocker aus den Achzigern” nach 25 Jahren Trennung zu einer “Re-Union” entschließen. Glaubwürdigkeit erhält die fiktive Bandgeschichte im Film durch die Mitwirkung von Popstars wie Jan Delay, Dieter Meier (Yello) und Stephan Remmler (Trio), die in Interviews ihre Bewunderung für Fraktus erklären. Als ein Mitglied der Band, Bernd Wand (gespielt von Jacques Palminger), von einem Reporter nach seinen Träumen für die Zukunft befragt wird, meint er, dass er noch gerne einmal auf dem legendären Klangbad-Festival auftreten würde - “dem Underground-Open-Air-Ereignis für atonale Musik”.

Der Film ist inwischen Kult geworden mit einer festen Fangemeinde, die sich auf die fiktive Story eingelassen hat. Der Witz dabei ist, dass es das Klangbad-Festival ja wirklich gegeben hat. Es fand bis 2011 jedes Jahr im Sommer in Scheer in Oberschwaben statt. Veranstalter war Hans Joachim Irmler, der ehemalige Keyboarder der Krautrockgruppe Faust, der in dem Städtchen an der Donau ein Tonstudio betreibt.

Durch Zufall lernte Irmler auf einer Party den Fraktus-Darsteller Jacques Palminger kennen und man beschloß in feucht-fröhlicher Runde, die Fraktus-Story weiterzuspinnen. “Fraktus 2” war geboren, nicht als Film, sondern als eine Art Musical-Rocktheater-Revue. Dabei tritt Palminger gemeinsam mit seiner leicht verrückt-überdrehten Mutter auf, die wie schon im Film von Margit Laue gespielt wird. Man traf sich ein paar Mal im Faust-Studio in Scheer, um mit Irmler an neuen Songs zu basteln und sie zu einer kohärenten Show zusammenzufügen.
 
Daraus ist jetzt ein Album mit dem Titel “Optische Täuschung” geworden, das am 4. und 5. November (20 Uhr) im Faust-Studio in Scheer der Öffentlichkeit vorgestellt wird – als bundesdeutsche Premiere! Dabei wurde kein Aufwand gescheut, die ursprünglichen Requisiten, schrille Perücken und Kostüme aus den 1980er Jahren zu beschaffen sowie die originalen Synthesizer, um dem Elektro-Pop der Band den richtigen Sound zu geben. Zur Einstimmung läuft im Kino in Riedlingen am 29. Oktober nochmals der Film “Fraktus” in zwei Vorstellungen (18 + 20:30 Uhr), wobei Hauptdarsteller Jaques Palminger anwesend sein wird, um über die Entstehung des Streifens zu plaudern und sich eventuellen Fragen des Publikums zu stellen. Nähere Infos: https://www.klangbad.de/news

Monday 17 October 2016

Zum Tode von WERNER LÄMMERHIRT (1949-2016)

Mitte der siebziger Jahre, als wir in Balingen mit der ZAK-Musik (Zollernalbkreis-Musik) Konzerte veranstalteten, holten wir auch für einen Auftritt den akutischen Gitarristen Werner Lämmerhirt in die Stadt. Wir standen auf solch leise Folkgitarrenmusik und hatten auch schon David Qualey und Sammy Vomacka für Auftritte engagiert. Dieser Finger-Picking-Style war damals groß in Mode und die Eberthalle mit 250 Zuhörern gut gefüllt. Werner Lämmerhirt übernachtete bei uns daheim, was sehr nett war - wir haben ihn dadurch etwas näher kennengelernt als bescheidenen und freundlichen Typen.  Berühmt hatte ihn die Mitwirkung bei einigen Schallplatten von Hannes Wader gemacht. Im Konzert verblüffte er durch bestechende Virtuosität. Wir verloren ihn danach aus den Augen, als die Folkwelle verebbte und sich unser musikalisches Interesse anderen Stilen zuwandte. Er machte wohl weiterhin Musik, trat auch immer noch auf. Vor ein paar Monaten fand ich zu meiner Überraschung sein Album 'Session - with friends, for friends' von 1975 (es war sein zweites) auf dem Flohmarkt in Hebden Bridge, Nordengland (immer mittwochs), das ich nicht stehen lassen konnte (£ 1), obwohl ich es schon hatte. So weit war seine Musik herumgekommen - bis ins Land von Bert Jantsch, John Renbourn und Wizz Jones, mit dem er 1981 eine Platte aufnahm (Titel: Roll On River). Ein Freund hat die beiden Ende der 1970er Jahre in Tuttlingen gehört und beschreibt den Auftritt als eines seiner "absoluten Konzert-Highlights". Jetzt erfahre ich, dass Lämmerhirt 67jährig verstorben ist. 


Friday 14 October 2016

ROCK im Ländle: Michael Moraveks PLANEAUSTERS

Vom Bodensee in die USA

Mit seiner Rockgruppe Planeausters hat Michael Moravek ein Album in Chicago aufgenommen


cw. Als Rockmusiker kommt man weit herum: New York, Chicago, St. Louis, Rottendam und Dublin lauteten nur ein paar der Stationen der letzten Jahre, an denen der Ravensburger Gitarrist, Sänger und Songwriter Michael Moravek musikalisch tätig war, ob im Studio, bei Konzerten oder auf Tourneen. Seine musikalische Plattform ist die Formation Planeausters, ein Indie-Rock-Trio, das Moravek vor 16 Jahren mit dem Bassgitarristen William Bruce Kollmar und dem Schlagzeuger Per Ceurremans aus der Taufe hob.

Moraveks musikalische Erweckung liegt lange zurück. Als junger Teenager in Balingen hörte er eines Tages Bob Dylan im Radio und war derart fasziniert, dass er selbst mit dem Musikmachen anfing. Er tauchte in die Liederwelt von Bob Dylan ein, sang dessen Songs, fing aber auch bald an, eigenen Lieder zu schreiben. Um sich der Öffentlichkeit zu präsentieren, gründete er die Gruppe The Blindboy, die sich zu einer der besten Folkrockgruppen Südwestdeutschlands entwickelten. Drei Schallplatten entstanden.

Kurz vor der Jahrtausendwende beschlich Moravek allerdings das Gefühl, dass die Band stagnierte: “Ich brauchte eine kreative Veränderung, neue Impulse,” erinnert sich der Musiker. “Also haben wir zu dritt weitergemacht.”

Planeausters war geboren. Mit ihren schnörkellosen entspannten Rocksongs traten die drei im In- und Ausland auf, trafen Musikkollegen und knüpften Kontakte. Eine engere Freundschaft entstand mit der amerikanischen Band The Great Crusades, die Moravek und die Planeausters zu gemeinsamen Tourneen in die USA einluden. Einer der Crusades-Musiker arbeitete in Chicago in einem Tonstudio, und Moravek ergriff die Gelegenheit. “Das Studio lag in einem Problemviertel in der Nähe des Humboldt-Parks mit hoher Arbeitslosigkeit und Kriminalität. Es war ein einfacher Backsteinbau mit Eisentür, aber dahinter verbarg sich ein musikalisches Kleinod,” schwärmt Moravek noch heute. ”Es war toll in einem Studio aufzunehmen, wo viele schwarze Bluesmusiker ihre Schallplatten gemacht hatten. Die Aufnahme verlief total professionell, und meine Stimme hat noch nie so gut geklungen.” Wie sich herausstellte, gehörte das Tonstudio Blaise Barton, einem Musiker, der schon mit Bob Dylan gearbeitet hatte. Für Moravek schloß sich damit ein Kreis.

Wieder daheim in Ravensburg traf eines Tages eine Email ein, die elektrisierte: Sie stammte von Mike Scott, Chef der irischen Rockgruppe The Waterboys. Scott hatte erfahren, dass Moravek einen seiner Songs namens “Red Army Blues” gecovert hatte und war neugierig auf dessen Version. So entstand ein Kontakt nach Irland, der bis heute besteht. Beeindruckt von der Band vom Bodensee, heuerte Scott bald darauf die Planeausters als Vorgruppe für eine Deutschlandtournee an. “Wir treffen uns gelegentlich bei Konzerten, tauschen Gedanken und musikalische Ideen aus,” erzählt Moravek. “Daraus hat sich eine Freundschaft vor allem mit Steve Wickham ergeben, dem Geiger der Waterboys, der schon mit U2, Elvis Costello und den Hothouse Flowers gearbeitet hat.”

Nach der Veröffentlichung der aktuellen Planeausters-CD (Titel: Humboldt-Park) hat Moravek gerade ein Soloalbum in Arbeit. Es wurde ebenfalls im Studio in Chicago eingespielt und bringt vielleicht Moraveks folkigere Seite wieder mehr zum Vorschein. Es soll im Januar erscheinen. Man darf gespannt sein.

Der Artikel erschien zuerst im Schwarzwälder Bote, große Tageszeitung im Südwesten
  

Saturday 8 October 2016

Kreolische Musikkapelle aus Louisiana

Kreolische Musikkapelle von Buddy Petit, Louisiana, ca. 1920. Der Sänger ist mit einem Megaphon ausgestattet. Die Besetzung ist die einer Dixieland-Jazzband.

Wednesday 5 October 2016

CAPPELLA PRATENSIS präsentiert: GUILLAUME DUFAY

 Ausklang des Mittelalters

Im 600. Jubiläumsjahr beleuchtet ein Festival die Musik beim Konstanzer Konzil

cw. Vor 600 Jahren war Konstanz für einen historischen Augenblick lang der Nabel der Welt. Vier Jahre von 1414-18 versammelten sich in der Bodenseestadt die Mächtigen aus Religion und Politik, um die drohende Spaltung der Kirche abzuwenden, in der damals mehrere Päpste um die Macht kämpften. Im Troß von Bischöfen, Kardinälen, Fürsten und Herzögen kamen auch viele Musiker in die Stadt, was das Konstanzer Konzil zu einer einmaligen Begegnungstätte und Tauschbörse von musikalischen Ideen machte.

“Europäische Avantgarde um 1400” war ein viertägiges Festival in Konstanz überschrieben, das in einer Kooperation zwischen dem Südwestrundfunk und der Bodenseestadt nunmehr im dritten Jahr die “Musik zum Konstanzer Konzil” wieder aufleben ließ. Dieses Jahr wurden die Scheinwerfer auf die musikalischen Traditionen der verschiedenen Religionen gerichtet, die damals in Konstanz präsent waren, ob russisch-orthodox, griechisch-byzantinisch oder muslimisch. 

Unter den Teilnehmern des Konzils befand sich auch der junge Sänger und Komponist Guillaume Dufay (geboren ca. 1400), der im Gefolge des Bischofs von Cambrai nach Konstanz gekommen war und hier vielfältige musikalische Anregungen erhielt. Dufay hörte die Konzilkapelle musizieren und lernte womöglich auch andere Komponisten kennen, um sich mit ihnen auszutauschen. Darüber hinaus kam er in Kontakt mit reichen und einflussreichen Würdenträgern, wie der italienischen Adelsfamilie Malatesta, die sich als Mäzene betätigten und den Komponisten aus Flandern später an ihren Hof in Rimini holten. 


Das holländische Spezialistenensemble Cappella Pratensis bot im Konstanzer Münster ein Konzert, das Guillaume Dufay und seine Zeitgenossen in den Mittelpunkt stellte. Dabei kamen Kompositionen zur Aufführung, die nach dem Vorbild der repräsentativen Musik entstanden waren, wie sie einst die offiziellen Zeremonien des Konzils umrahmt hatten. Während seiner langen Karriere schrieb Dufay Würdigungsstücke und Huldigungsmotetten in erklecklicher Zahl.

 
Wie im 15. Jahrhundert üblich, versammelten sich die Sänger der Cappella Pratensis um nur einen einzigen zentralen Notenständer, auf dem ein großes Notenblatt in alter Notenschrift lag. Im Unterschied zu damals brachte das Ensemble auch Frauenstimmen zum Einsatz, was im 15. Jahrhundert in der Kirche nicht denkbar gewesen wäre, wo Sängerknaben die Sopranstimmen intonierten. Dezent mit Harfe sowie einer Zugtrompete und einer Renaissance-Posaune instrumentiert, präsentierte die Cappella Pratensis ein Programm von enormer Spannbreite. Von Solostücken für Harfe sowie Chansons für Stimme mit Instrumentalbegleitung über Trio- und Quartettbesetzungen bis hin zum vollen Ensembleklang kam alles vor. Oft wurde eine Vokalstimme von der Zugposaune übernommen, was dem Gruppenklang eine ganz spezielle Färbung gab. Einige der Werke besaßen noch den Klang des Mittelalters, während spätere Kompositionen schon im neueren Stil verfaßt waren, den Dufay möglicherweise bei seinem Aufenthalt in Konstanz aufgeschnappt hatte und der sein weiteres Schaffen bestimmte.