Friday 21 August 2015

AUGEundOHR: Old-Time Radioband aus den 1940er Jahren

Der kommerzielle Rundfunk bildete in den 1920er und 30er Jahren in den USA die beste Plattform für Musiker aller Sparten. Vor allem Hillbilly-Gruppen war sehr beliebt. Sogar die berühmte Carter Family verdiente durch tägliche Rundfunkauftritte ihre Brötchen. Das Bild zeigt die Radiogruppe von Old Cousin Lee des Senders W.O.R.K aus York, Pennsylvania. Das Foto stammt wohl aus den 1940er Jahren. Damals kamen Kontrabass und Akkordeon in der Coiuntrymusik auf.  Die anderen Musiker halten die davor üblichen Instrumente: Fiddle, Gitarren und Mandoline. Möglicherweise ist der ältere Herr (zweiter von links) im Anzug der Ansager der Sendung.


Tuesday 18 August 2015

NILS FRAHM spielt das 'grösste Klavier der Welt'

Tastenträume

Pianostar Nils Frahm gab in Tübingen auf dem “größten Klavier der Welt” ein Konzert, um den Bau eines noch größeren Modells zu finanzieren
                                                                                                                                     Foto: Rose Revitt

 cw. In der Popmusik erlebt das Klavier momentan einen Boom. Eine ganze Reihe junger Pianisten gewinnen dem Tasteninstrument neue Facetten ab, indem sie es mit elektronischen Gerätschaften zum Hyperklavier entgrenzen. Der Berliner Nils Frahm, der gerade mit der Filmmusik zu “Victoria” viel Beachtung findet, ist einer der führenden Musiker dieses Genres. Seine visionären Gedanken treffen sich mit denen von David Klavins, einem Klavierbauer aus Balingen-Frommern, der nicht daran glaubt, dass die technische Entwicklung des Pianos bereits abgeschlossen ist und über neue Modelle nachdenkt. Klavins meint etwa den Klang der tiefen Töne dadurch verbessern zu können, dass er längere Baßsaiten verwendet, die er nicht horizontal, sondern aufrecht anordnet. Das macht das Klavier zu einem Rieseninstrument. Ein solches Modell ist seit zwei Jahren im Tübinger Pfleghof installiert. Es trägt den Namen M370, weil es 3,70 Meter hoch ist, wobei man über ein Treppchen aufs Spielpodest hinaufsteigt. Auf diesem “größten Klavier der Welt” hat Nils Frahm sein letztes Solo-Album eingespielt.

Doch Frahms und Klavins’ Träume reichen darüber hinaus: Den beiden schwebt ein noch größeres Klavier vor! Klavins hat Entwürfe für ein Instrument mit 4,50 Meter Höhe entwickelt, dessen tiefste Saite eine Länge von 3,90 Meter haben soll. Um die nötigen Finanzmittel von ca. 120 000 Euro für den Bau aufzubringen, gab Frahm in Tübingen ein Benefizkonzert, zu dem die Zuhörer trotz des stolzen Eintrittspreises von 35 Euro nur so strömten. Der mittelalterliche Saal im Pfleghof – spärlich beleuchtet – bot die passende Kulisse für ein stimmungsvolles Konzert, das restlos ausverkauft war.
                                                                                                                                                                                 Foto: Rose Revitt
Nils Frahm gab sich als Romantiker, dessen liebste Stimmung die Melancholie ist und dessen bevorzugte Ausdrucksform die Elegie. Der Berliner Tastenvirtuose schlug über weite Strecken zarte Töne an und schwelgte in wohligen Durakkorden. Seine Melodien bestechen durch Einfachheit und verströmen manchmal folkloristisches Flair. Dazu werden Stilmittel der Minimal Music einbezogen. Dann hämmert Frahm über längere Zeit einen Grundton in rhythmisch bewegter Manier, um darum herum eine Melodie aus gebrochenen Akkorden zu flechten, bevor er die Töne mehr und mehr verdichtet und zu einer düsteren Klangwolke auftürmt.


In einem anderen Stück des Abends warf der Berliner den Synthesizer an, um einen elektronischen Loop ins Spiel zu bringen, der dann melodisch mit dem Großklavier umspielt wurde. Im Publikum saßen - andächtig lauschend - viele junge Klavierfans, die Frahm wie einen neuen Keith Jarrett feierten und ihn nicht ohne Zugaben ziehen ließen. Das Riesenklavier M450 ist mit diesem Konzert seiner Realisierung einen bedeutenden Schritt näher gekommen.

Der Konzertbericht erschien zuerst im Schwarzwälder Bote.

Sunday 16 August 2015

Alasdair Roberts mit neuem Album

Wünschelrutengänger


 cw. Will Oldham alias Bonnie “Prince” Billy war sein Mentor. Ihm steckte Alasdair Roberts 1995 nach einem Konzert eine Cassette zu. Oldham war von den Liedern derart beeindruckt, dass er dem jungen schottischen Singer-Songwriter einen Plattenvertrag beim renommierten amerikanischen Label Drag City verschaffte. Seither hat der schottische Folksänger seine Liedkunst mehr und mehr verfeinert und nun nach ein paar Alben mit traditionellem Material eine Platte mit zehn eigenen Songs veröffentlicht.

Der Glasgower begleitet sich mit einem ganzen Arsenal an Instrumenten selbst, das von diversen Gitarren bis zu Keyboards, Baß und Trommeln reicht. Befreundete Musiker tragen mit vierstimmigem Harmoniegesang, mit Tin Whistle, Klarinette und Baßklarinette zur Farbigkeit der delikaten Arrangements bei.

Roberts geht genau in der gleichen Weise vor, wie Folkmusiker das schon seit Generationen tun. Er nimmt traditionelle Songs, verändert ihre Melodien und arrangiert sie um, fügt neue Verse und Bedeutungen hinzu, um sie relevant für die Gegenwart zu machen. Einem Wünschelrutengänger gleich, stößt er auf Melodien, die eingängig und doch nicht banal wirken, wobei die Textinhalte eher persönlich gehalten sind. Manchmal greifen sie ins Metaphysisches bis Dunkle aus, deuten ein Geschehen nur an und handeln letztlich von den Dingen, die das Leben bestimmen: Liebe, Freiheit und Hoffnung (und ihre Paradoxien), sowie die Heimsuchungen und Verwerfungen, die einem das Schicksal auftischt. Roberts singt in einem Lied, wie sich im Schlaf sein Kissen in einen Stein verwandelt. Es sind solche eindringlichen Bilder, die im Gedächtnis haften bleiben.

Alasdair Roberts: Alasdair Roberts (Drag City)

Die Besprechung erschien zuerst in der NZZ.

ALASDAIR ROBERTS tritt am Samstag, den 10. Oktober 2015 in Schorndorf im Club Manufaktur auf.  Beginn: 20:30



Friday 7 August 2015

Die Rauhheit der Stimme: GRAINDELAVOIX - Renaissance-Ensemble aus Antwerpen

Schöner Gesang und durchdringende Schreie

Das “Festival Europäischer Kirchenmusik” in Schwäbisch Gmünd feiert 25jähriges Jubiläum
                                                                                                                                      Foto: Rose Revitt

cw. Bei der Bezeichnung “Kirchenmusik” denkt man zuallererst an Johann Sebastian Bach, an Chorgesang und Orgelspiel. Das “Festival Europäischer Kirchenmusik”, das jedes Jahr in Schwäbisch Gmünd stattfindet, hat all das zu bieten, geht aber in seiner Programmgestaltung weit darüber hinaus. Auch experimentelle Musikformen, abenteuerliche Stilverbindungen und gewagte Multimedia-Aktionen werden geboten – Schwäbisch Gmünd spannt den musikalischen Bogen von Mittelalter bis in die Gegenwart!

Jedes Jahr wählt der künstlerische Leiter Dr. Ewald Liska, selbst ein beschlagener Vokalist und ehemaliger Rundfunkredakteur, einen anderen inhaltlichen Schwerpunkt, der dann in den Konzerten thematisch umkreist wird. “Mitten im Leben vom Tod umgeben” lautete der Titel, der dem Festival dieses Jahr seine Ausrichtung gab und drei Wochen lang die verschiedenen Kirchen in Schwäbisch Gmünd von den unterschiedlichsten sakralen Klängen erschallen ließ. Von gregorianischem Gesang über Barockmusik - elektronisch verhüllt – bis zu neutönerischen Kompositionen der renommierten koreanischen Komponistin Younghi Pagh-Paan reichte das Spektrum des Festivals, das dieses Jahr sein 25jähriges Jubiläum feiert. Die eindrucksvollsten musikalischen Momente seiner Historie sind gerade auf einer Doppel-CD erschienen.

Einen besonderen Akzent im diesjährigen Programm setzte das 15köpfige Spezialistenensemble Graindelavoix aus Antwerpen mit Trauermusik der Renaissance. Die Gruppe unter der Regie von Björn Schmelzer ist eine eigenwillige Formation, die die Klänge aus dem 15. Jahrhundert und 16. Jahrhundert gegen den Strich bürstet, um ihre tiefere Botschaft ans Tageslicht zu fördern. “Emotionale Musikwissenschaft in Aktion” hat das einmal ein Kritiker genannt.

Bei ihrem Konzert in der Gmünder Augustinuskirche drang das Ensemble Graindelavoix, das seinen Namen einem berühmten Essay des französischen Philosophen Roland Barthes verdankt, tief in die verschlungene Vielstimmigkeit der Renaissance-Musik ein, um unter die
Haut der Gedächtnismotetten, Messen und Lamentationen zu gelangen. Mit beträchtlichem körperlichen Einsatz gelang es Björn Schmelzer, der vom Aussehen her auch in einer Hardrock-Band spielen könnte, die Essenz dieser Trauerstücke herauszuarbeiten. Dabei schreckte die Gruppe auch nicht davor zurück, ihren “klaren schönen Gesang in durchdringende Schreie und Klagen” zu verwandeln, wie es im Text einer musikalischen Lamentation aus dem Jahr 1497 heißt.

Neben Werken von Alexander Agricola standen Kompositionen von Pierre de la Rue im Mittelpunkt des Konzerts, die 1506 aus Anlaß des Ablebens des jungen Königs Philipp des Schönen von Spanien (er war nur 28 Jahre alt) entstanden sind. Diese Trauermotetten wurden bei langen Gedenkfeiern in Dorfkirchen überall in Spanien aufgeführt, wobei der Hof mit dem Sarg des Königs und einer beträchtlichen Trauergemeinde über Land zog. Am Ende der täglichen Feierlichkeiten wurde jedesmal der Sarg geöffnet, in der Hoffnung der Verstorbene werde von der Kraft der Musik vom Tode erweckt. Mit der gleichen Intensität brachten Graindelavoix die Stücke zur Aufführung, wobei sich die 15 Musiker in einen einzigen lebendigen Organismus verwandelten, der – musikalisch atmend – an- und abschwellte.

Um der tief empfundenen Schwere etwas Leichteres entgegenzusetzen, fügten Graindelavoix etliche Instrumentalstücke in das Programm ein, die mit Harfe, Lauten und Fiedeln sowie dem warmen Ton einer Holztrompete in Szene gesetzt wurden. In der richtigen Balance mit den ergreifenden Gesängen ließen sie das Konzert zu einem Höhepunkt in der 25jährigen Geschichte des “Festivals Europäischer Kirchenmusik” in Schwäbisch Gmünd werden.

Die Besprechung erschien zuerst im Schwarzwälder Bote.

Sunday 2 August 2015

AUGEundOHR: Tamburica-Hochzeit

Kroatische Tamburica-Ensembles bei zwei Hochzeiten in USA ca. 1930
Die ganze Familie der Tamburica-Instrumente (südosteuropäisches Saiteninstrument) ist vertreten von der Baß- bis zur Sopranlage.



Klick hier - mehr zum Thema: