Wednesday 4 June 2014

Zum 50. Jahrestag des 1. Waldeck-Festivals 1964

Liedfest auf der Burg
 
Vor 50 Jahren begann die deutsche Liedermacherbewegung

cw. Popsongs oder Chansons in deutscher Sprache werden heute als selbstverständlich betrachtet. Das war nicht immer so! Erst in den sechziger Jahre entstand in Westdeutschland eine junge Liedbewegung, die sich wieder in der Muttersprache ausdrückte. Franz Josef Degenhardt, Reinhard Mey und Hannes Wader wurden zu Stars der neuen Szene. Einmal im Jahr trafen sich diese Songpoeten damals auf der Burgruine Waldeck im Hundsrück zu einem Festival, das zur Wiege der bundesrepublikanischen Liedermacher-Bewegung wurde.
 
Dieses Jahr wird vom 6. bis 8. Juni auf der “Waldeck” wieder ein Liederfest gefeiert. Veteranen wie Hein & Oss Kröher, Christof Stählin und Walter Mossmann werden Rückschau auf ein Ereignis halten, das 1964 zum ersten Mal stattfand. Dazu kommen junge Sängerinnen wie Dota Kehr oder Gruppen wie Tschaika und Schlagsaite, die zeigen, was heute aus den Anstößen geworden ist. Ein Dokumentarfilm von Gabi Heleen Bollinger, der gerade auf DVD erschienen ist, zeichnet die Entwicklung über ein halbes Jahrhundert nach.
 
“Ein Programm ist gemacht worden über das ganze Gelände. Auf der  Hauptbühne, aber auch an kleineren Konzertorten - in Hütten und Jurten -fanden Veranstaltungen statt,” erinnert sich der Hechinger Liedermacher Christof Stählin, der damals dabei war. “Nachts haben überall Feuer gebrannt und es ist gesungen worden. Da ist tagaus tagein und nachtaus nachtein musiziert worden.”
 
Die Waldeck-Premiere 1964 brachte zum ersten Mal Liedpoeten, Kabarettisten, Barden und Bänkensänger an einem Ort zusammen. Sie schufen die Grundlagen für eine neue deutsche Liedtradition, die sich als gesellschaftskritisch und demokratisch verstand und von französischen Chansons, Freiheitsliedern, Landstreicher-Balladen, Brecht-Moritaten und amerikanischen Folksongs beeinflußt war. Georges Brassens und Bob Dylan gaben die Richtung vor.

Franz Josef Degenhardt auf der Waldeck
 
Zum ersten “Festival für Chanson und Folklore International” kamen 350 Besucher. Im darauffolgenden Jahr waren es bereits 2000. Aufbruchstimmung machten sich breit. “Die Sensation waren Sänger, die ihre eigenen Lieder machten,” erinnert sich Stählin. Die aufgewühlte Atmosphäre der Studentenrebellion prägte ab 1967 das Festival. Ein ideologischer Riss tat sich auf zwischen den Protestsängern und den weniger politischen “Privatlieder”-Machern, die mehr und mehr ins Abseits gerieten. Reinhard Mey sah sich heftiger Kritik ausgesetzt. Eine hitzige Debatte entbrannte.

                                                                                                       Reinhard Mey auf der Waldeck
 
1968 platzte das Festival aus allen Nähten. 5000 Besucher strömten auf das Burggelände und brachten die nur rudimentäre Infrastruktur an den Rand des Kollaps. Die politischen Konflikte schwelte weiter. Es kam zu Bühnenbesetzungen. Auftritte wurden gestört. Kabarettisten wie Hanns-Dieter Hüsch wurden attackiert. Ein Jahr später dann das Finale: Das Waldeck-Festival passte sich dem neuen Zeitgeist an - Diskussionen, Teach-Ins, Underground-Rock und Gegenkultur dominierten das Programm, die Lieder wurden an den Rand gedrängt. Damit war der Endpunkt erreicht. Das Festival löste sich sang- und klanglos auf.
 

Die Auszeit währte lange. Erst zum 40. Jahrestag des ersten Festivals gab es 2004 eine Nachfolgeveranstaltung. Danach kam langsam wieder ein Festival zustande, das allerdings nicht mehr an die Bedeutung der ursprünglichen Waldeck-Festivals anknüpfen konnte. Junge Liedermacher und Folkgruppen geben sich seither alljährlich auf der Burgruine ein Stelldichein -  so auch dieses Jahr! Selbst 50 Jahre nach dem ersten Festival wirkt der Geist der Waldeck immer noch inspirierend.

Der Artikel erschien zuerst im Schwarzwälder Bote, große Tageszeitung in Südwestdeutschland.

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