Monday 24 June 2013

ENRICO RAVA spielt Michael Jackson



Jackos Wiedergeburt

Das “Michael Jackson”-Projekt des Jazztrompeters Enrico Rava


cw. Enrico Rava ist der bekannteste Jazzmusiker Italiens und einer der wenigen, den man auch außerhalb seines Heimatlands kennt  1939 geboren, zog es den Trompeter schon in jungen Jahren nach Amerika, wo er sich Ende der 60er Jahre auf der New Yorker Avantgarde-Szene einen Namen machte. Seine musikalische Karriere spannt sich inzwischen über fast ein halbes Jahrhundert, wobei er Dutzende von Schallplatten eingespielt hat, die ihn als kreativen Geist ausweisen, einen Jazzer ohne Scheuklappen, der sich auch mit anderen Musikstilen wie Oper oder Folklore auseinandersetzt.

Bei Pop hörte allerdings die Neugierde auf. Oft sind Jazzmusiker Snobs, die ihren Stil für die Krönung der Schöpfung halten: die einzig wahre Musik und der Popmusik um Längen überlegen. Enrico Rava machte hier keine Ausnahme. Erst mit dem Tod von Michael Jackson 2009, wurde er auf die Musik des amerikanischen Superstars aufmerksam, was einer Erleuchtung gleichkam. “Von da an nahm Michael Jackson mein Leben in Beschlag”, räumt Rava ein. “Ich kaufte alle CDs und Videos, die ich finden konnte. Zu meiner Schande musste ich eingestehen, dass ich einen der Giganten der Musik des 20. Jahrhunderts einfach ignoriert hatte – ein totaler Künstler, Perfektionist und Genie.”
 Die Reise in das Werk von Michael Jackson blieb für Rava nicht ohne Folgen. Zusammen mit den jungen Musikern vom Parco della Musica Jazz Lab nahm er ein Popprojekt zur Ehren “Jackos” in Angriff. Rava suchte seine Lieblingstitel des “King of Pop” aus und gab dem Arrangeur Mauro Ottolini den Auftrag, sie in Stücke für Jazzbigband zu verwandeln, was diesem auf äußerst interessante Weise gelang. In Rom wurde dann letztes Jahr das Programm in einem Live-Konzert für eine CD-Veröffentlichung eingespielt, die inzwischen beim Münchner Renommierlabel ECM unter dem Titel “Rava on the Dance Floor” erschienen ist. Am 27. Juni präsentiert das zwölfköpfige Orchester unter der Regie von Enrico Rava das Programm in der Stadthalle in Singen.

Die Musik versucht dem Geist von Michael Jackson gerecht zu werden. Harte Gitarrenriffs, wuchtige Bläsersätze und sprudelnde Perkussion geben den Stücken eine außergewöhnliche Farbigkeit, wobei selbst solche Megahits wie “Thriller” nicht ausgeleiert klingen. Den italienischen Jazzmusikern gelingt es auf verblüffende Weise, den Popklassikern eine neue Dimensionen abzugewinnen. Michael Jackson erlebt in diesem Projekt eine Auferstehung, wenn auch in jazziger Gestalt.

Wednesday 19 June 2013

KLANG DER REVOLTE im SWR Fernsehen in 'NACHTKULTUR'


KLANG DER REVOLTE im SWR Fernsehen

Im SWR FERNSEHEN wird in der Sendung 'NACHTKULTUR' am Donnerstag, den 27. Juni 2013 (23:15 - 23:45) ein Beitrag von Ursula Böhm über die Buchneuerscheinung 'DER KLANG DER REVOLTE' gesendet. Böhm und ihr Team haben mit Christoph Wagner gefilmt, dazu im Faust-Studio von Hans Joachim Irmler und bei Hellmut Hattler in Neu-Ulm 'Live'-Aufnahmen und Interviews gemacht. 



vlnr: Hans Joachim Irmler, Ursula Böhm und ihr Team, Christoph Wagner 

Anti-Folker JEFFREY LEWIS über COMICS



Jeffrey Lewis, Anti-Folk-Sänger und Comics-Autor, war beim "Long Division"Festival in Wakefield, UK zu Gast. Am Samstagabend (8. 6.) trat die Jeffrey Lewis & Peter Stampfel Band zuerst vor Mark E. Smith und The Fall im Stadtzentrum auf. Am nächsten Morgen gab dann Jeff in der 'Orangerie' eine kleine Einführung in seine Comics-Produktion, was sehr amüsant und aufschlußreich war.

                                                                                                                                                         Fotos: Rose Revitt






Zuvor hatte ich noch Peter Stampfel interviewt, legendärer Acid-Folk-Erfinder mit den Holy Modal Rounders in den 60er Jahren und ehemaliges Mitglied der Fugs. Stampfel erzählte interessante Episoden aus der Folkszene von Greenwich Village und über seine Begegnungen mit Dave van Ronk und Bob Dylan. Außerdem äußerte er sich 'extremly' positiv über die neue Band mit Jeff und meinte, was für ein Vergnügen es sein, mit diesen jungen Leuten zu touren. Es gibt auch ein neues Album mit dem Titel 'Hey Hey It's', das nur zu empfehlen ist: wilde akustische Jugband-Musik mit Punk-Einschlag für das 21. Jahrhundert. Das Album ist über Jeffrey Lewis website zu bekommen.

Tuesday 18 June 2013




JOHN PEEL in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG

JENS-CHRISTIAN RABE über 'THE PIG'S BIG 78s' (Trikont)

2003/04 war ich an der Produktion der 'John Peel'-CD beteiligt. Peel hatte mich manchmal einfach 'out of the blue' hier in Hebden Bridge angerufen, weil ich ihm Alben von Trikont schickte, die er gerne in seiner Radioshow bei der BBC spielte. Er hatte mich ursprünglich kontaktiert, um das 'THE PIG'S BIG 78s'-Projekt vorzuschlagen.


Jetzt hat die Süddeutsche Zeitung unter der Überschrift 'RETRO' Journalisten ihr bedeutendstes Album besprechen lassen, und Jens-Christian Rabe kam dabei auf 'Peel' zurück. "Hätte die Popmusik so etwas wie ein Gewissen, wäre dieses Album ein echter Bestseller,' schreibt er. Dem ist nichts hinzuzufügen. Das Album ist weiterhin im Handel. Christoph Wagner


Sunday 16 June 2013

Hans-Jürgen Linke über "DER KLANG DER REVOLTE"


Neue Musikzeitung (nmz)

Die wichtigsten Fragen aus dem Untergrund

Christoph Wagners große reflektierende Erzählung vom Klang der Revolte



nmz. Wie konnte es passieren, dass Musik so wichtig wurde? Wenn man Chris­toph Wagners Buch über die Achtundsechziger-Revolte liest, liegt plötzlich der Gedanke nahe, dass es nicht der politische Diskurs der Zeit war, sondern die vielstimmige, multiidiomatische Musik, die den Geist der Revolte ab Mitte der Sechzigerjahre am genauesten und radikalsten auszudrücken vermochte. Das kann damit zusammenhängen, dass Wagner die so genannte Studentenbewegungszeit aus der Perspektive eines Menschen sieht, der in den Siebzigern  tief verstrickt war in die aufregenden musikalisch geprägten Subkulturen jener Zeit. Es kann aber auch damit zusammenhängen, dass die innere Debatten-, Streit- und Abgrenzungskultur der Bewegung im Laufe weniger Jahre ein
enorm zersetzendes, blockierendes Potenzial entfaltet hat, während der kulturelle Dissenz mit der älteren Generation, das Neue und der Aufbruch in der Musik und ihren sozialen Rahmenbedingungen am kompromisslosesten abgebildet waren.
                                                                                                            Popfestival, 1972

Christoph Wagners Buch ist in einem überaus angenehmen Sinn ein Geschichtsbuch. Es hat starke erzählerische Anteile und ist durchzogen von einer intensiven und kenntnisreichen Anteilnahme sowie einer empathischen Wärme, aus der das Anliegen des Buches heraus scheint. Es besteht nicht allein in Quellenstudium und Chronisten-Selbstverpflichtung. Wagner will alles noch einmal rückblickend durchlebbar machen, verknüpft mit der nach all den Jahren umso erstaunter gestellten Frage, was da eigentlich alles passiert ist und wie das passieren konnte.

Seine Berichte aus der Zeit des großen Urknalls der Rock-und-Pop-Revolte in der westlichen Hemisphäre und ganz besonders in Deutschland nehmen stets ihren Ausgang von musikalischen Phänomenen und behandeln nebenbei deren subkulturelle Verlaufsformen, ihre politischen Beimengungen und Auswirkungen. Er macht das so geschickt, dass man nach einiger Lesezeit nicht mehr weiß, was die Beimengung oder Auswirkung wovon war. Ursachen und Wirkungen, Politik und Musik, Ökonomie und Verblendung finden von Kapitel zu Kapitel näher zueinander. Das lässt dem Gegenstand seine Fülle und seine nach wie vor schwer entwirrbare Komplexität.


















                                                        Ton Steine Scherben                                                           
Es ist also im engeren Sinne keine Chronik und auch keine soziologische Bestandsaufnahme, was Wagner leistet, es ist eine Art gewissenhafter Nacherzählung, eine postume Behandlung von Fragen, die damals mitten im Raum standen – in jenem Raum, in dem Rockmusik oder freier Jazz oder psychedelische Klanggebilde oder endlos minimalistisches Getrommele zu hören war und Haschischwolken dufteten. Fragen wie die: warum das Englische zwangsläufig die Sprache der Revolte war und über welche Umwege deutsche Sprache schließlich doch hier und da relevant wurde. Wie es zur Entwicklung des zeitgenössischen Popfestivals kam und wie schwierig diese Entwicklung in Deutschland verlief. Warum und für wen plötzlich das Tonstudio ein mythischer Ort der populären Musik wurde. Wie die Verhältnisse von Deutschrockern, Freejazzern, Straßenmusikern sich gestalteten. Ob Drogen wirklich so enorm wichtig waren. Worin die unverwechselbaren Eigenständigkeiten der bundesdeutschen Szene bestanden, warum die Revolte also merkwürdigerweise durchaus eine nationale Angelegenheit war, obwohl Internationalismus eine geradezu unverzichtbare Forderung in all den parallel verlaufenden nationalen Revolten war. Es sind nach wie vor die eigentlich spannenden Fragen, die aus dieser Zeit übrig geblieben sind.
Spannend ist auch die verdichtete Zusammenstellung des Materials. Wagner schreibt in porträthaft abgeschlossenen und darüber hinaus eng miteinander zusammenhängenden Kapiteln die Geschichte der Essener Songtage, des Waldeck-Festivals sowie der deutschen Popfestivals, auf denen es Anfang der siebziger Jahre Mode wurde, dass ein Teil des Publikums sich im Sturm gratis den Eintritt verschaffte. Er zeichnet die Entwicklung alternativer Lebens- und Musikkonzepte anhand so divergierender Gruppen wie Ton Steine Scherben, Embryo, Kraan, Can oder Paul und Limpe Fuchs nach. Er vergisst nie die tiefgreifenden sozialen Ablösungsprozesse, die in Deutschland am Ende der sechziger Jahre die jüngere Generation miteinander verbanden, und er richtet reflektierende Seitenblicke auf die politischen Spaltungsprozesse der Szene nach Minimaldifferenzen und ideologischen Bornierungsmerkmalen.
Christoph Wagners Buch über die Revolte der sechziger und siebziger Jahre und ihre Klangwelten lässt ahnen und nachvollziehen, wie das alles passieren konnte.

Christoph Wagner: Der Klang der Revolte. Die magischen Jahre des westdeutschen Musik-Underground (edition neue zeitschrift für musik), Schott, Mainz 2013, Hg: Haus der Geschichte Baden-Württemberg; 388 S., Abb., € 24,95, ISBN 978-3-7957-0842-9