Sunday 10 February 2013

Die UKULELE - Minigitarre aus Hawaii


Kleines Instrument ganz groß!
 
Einst verspottet, erlebt die Ukulele momentan einem Boom
 

cw. Früher wurde sie belächelt. Nur Spaßmacher und Varieté-Unterhalter spielten Ukulele - die nervige und etwas vorlaute, kleine Schwester der Gitarre. Niemand nahm sie ernst. Doch seit das Zupfinstrument in der Popmusik immer mehr an Boden gewinnt, hat sich sein Ruf verbessert. Ob Noah And The Whale, The Magnetic Fields, Jack Johnson oder die Fleet Foxes - mehr und mehr Popkünstler schätzen die Unbekümmertheit des scheppernden Schrammelklangs. Jetzt tritt Popstar Eddie Vedder von der Rockgruppe Pearl Jam mit einem Soloalbum an die Öffentlichkeit, das für einen weiteren Popularitätsschub sorgen dürfte. Auf “Ukulele Songs” finden sich mehr als ein Dutzend Lieder, auf denen sich der Sänger nur auf der Ukulele begleitet und beweist, dass die viersaitige Minigitarre auch zu ernsthaftem künstlerischen Ausdruck geeignet ist.
 
“Weniger Saiten, mehr Melodie”, so bringt Vedder die Vorteile der Ukulele auf den Punkt. Verliebt hat er sich in das Saiteninstrument vor mehr als zehn Jahren bei einem Hawaii-Urlaub, als er sich von den Strapazen einer Pearl Jam-Tournee erholte. In einem Geschäft stach ihm das Instrument ins Auge, das so billig war, dass er es sofort erwarb. Vor dem Laden probierte er darauf herum, bis eine Melodie ertönte. “Ein paar Touristen blieben stehen und warfen mir Geld in die Instrumentenschachtel,” erzählt Vedder. “Ich dachte: Sapperlot, das Ding hat etwas!”
 
Sein demokratischer Charme ist der größte Vorteil des Instruments -  fast für jeden Geldbeutel erschwinglich. Dazu leicht zu erlernen: “In fünf Minuten Ukulele spielen!” garantiert ein Unterrichtswerk. Die geringe Größe macht sie außerdem für kleine Hände spielbar und zum idealen Schulmusikinstrument. “Mein Daddy zeigte mir ein paar Akkorde auf der Ukulele, bis meine Hände groß genug waren, um Gitarre zu spielen,” erinnert sich Bluesgitarrenlegende Johnny Winter. Der geringe Preis und die leichte Spielbarkeit machen die Ukulele heute zu einer Art Gegenmodell zum immer aufgeblaseneren und hochpolierteren Musikbusiness.
 
Die Stärken scheinen sich langsam herumzusprechen, denn die Verkaufszahlen zeigen nach oben. In Großbritannien, dem führenden Land der aktuellen Ukulele-Welle, ist das Instrument ein Verkaufsschlager. Allein im letzten Jahr wurde im Vereinigten Königreich mehr Ukuleles verkauft als E-Gitarren. Mit mehr als 40 % verzeichnete das Instrument den größten Umsatzzuwachs unter allen Musikinstrumenten. Kleine Ukulele - ganz groß!

Und sie werden auch gespielt, am liebsten im Verein. Auf der Insel schießen Ukulele-Clubs
wie Pilze aus dem Boden und das nicht nur in größeren Städten. Selbst auf dem
Land grassiert der Ukulele-Virus, wie in Hebden Bridge (Nordengland), wo sich ein halbes Dutzend Hobbymusiker einmal im Monat zum gemeinschaftlichen Musizieren  im “Cross Inn
Pub” treffen, oder im benachbarten Halifax, wo eine “Ukulele Gang” regelmäßig zusammenkommt. In Deutschland haben sich ebenfalls bereits erste Vereine gebildet.
 
“Jung und alt kommen zum Übungsabend - von Teenagern bis zu Rentnern. Menschen aus den unterschiedlichster Berufen  - das ganze Spektrum!” erzählt Rob Collins, der vor ein paar Jahren im nordenglischen Hebden Bridge den Spielkreis ins Leben rief. Collins hatte sich in das Instrument vernarrt, als er vor zehn Jahren auf die Idee kam, Ukuleles aus blechernen Keksdosen zu bauen, die unerwarteten Anklang fanden. Als er dann letztes Jahr arbeitslos wurde, machte er aus seinem Hobby einen Vollzeitberuf und liefert nun seine hochwertigen Instrumente aus makellos gedrechselten Rosenholz oder Eichenholz in die ganze Welt. Von Japan bis in die USA treffen Bestellungen ein. Die Auftragsbücher sind bis zum Jahresende voll.
 
Ursprünglich war die Ukulele in Hawaii aus einem Zusammenprall zweier Kulturen entstanden. 1879 hatten portugiesische Auswanderer traditionelle Zupfinstrumente wie die Braguinha und das Cavaquinho von der Insel Madeira in die Südsee gebracht. Auf Hawaii wurden die Instrumente den lokalen Bedürfnissen angepasst, in der Form vereinfacht, in der Stimmung simplifiziert und in “Hüpfender Floh” umbenannt, sprich: Ukulele!
 
Nach der Annexion durch die USA, avancierte Hawaii 1898 zum beliebten Ferienziel amerikanischer Urlauber. Bei den Touristen erfreuten sich die traditionellen Hula-Tänze und hawaiianische Folksongs besonderer Wertschätzung, die oft von einer Ukulele begleitet wurden. Das Instrument stimulierte Sehnsüchte, dem grauen Alltag zu entfliehen. Es rief Südsee-Fantasien hervor, in denen braune Schönheiten am Strand im Mondschein unter Palmen ihre exotischen Tänze zu den Melodien einer Ukulele vollführten. Das Motiv wurde von Songs wie “Ukulele Sweetheart” oder “My Honolulu Ukulele Baby” um die Welt getragen, gespielt von Musikgruppen aus Hawaii, die mit solchen Liedern internationale Erfolge feierten.
 
Die “Panama-Pacific International Exhibition” von San Francisco brachte 1915 den Durchbruch. Viele der 17 Millionen Besucher hörten dort zum ersten Mal hawaiianische Musik mit Ukulele. Die Begeisterung schlug hoch. 1926 hatte der Höhenflug seinen Kulminationspunkt erreicht, als die amerikanische Gitarrenfirma Martin - ein Gitarrenhersteller unter vielen - allein 14000 Ukulele verkaufte. Hawaii-Musik feierte weltweite Triumphe. 
 
Als 1933 das Instrument in einem Film mit Laurel & Hardy auftauchte, sowie ein paar Jahre später in “Waikiki Wedding” mit Bing Crosby, war die Mode bereits wieder im Abklingen begriffen. Erst in den 50er Jahren bescherte Marilyn Monroe in “Some like it hot” dem Instrument ein Comeback, zu dem auch Elvis mit dem Film “Blue Hawaii” beitrug, für den er auf dem Plakat mit Ukulele posierte. Ende der 60er Jahre wirbelte der schrille Entertainer Tiny Tim noch einmal Staub auf, dessen Markenzeichen die  Ukulele war. Danach wurde es stiller um das Instrument aus der Südsee.
 
Jetzt ist das Ukulele-Fieber wieder erwacht. Nicht ganz unschuldig ist daran das Ukulele Orchestra of Great Britain, das seit 1985 unermüdlich als Missionsorganisation für das Instrument fungiert und mittlerweile selbst in Japan große Säle füllt. Das professionelle Ensemble aus acht Ukulele-Spielern, zumeist ehemaligen Gitarristen, bietet ein buntgewürztes Programm aus klassischen Vaudeville-Nummern, alten Schlagern und Rock-Bearbeitungen wie “Anarchy in the UK” von den Sex Pistols. Selbst Hawkwinds “Silvermachine” wird die Ukulele-Behandlung zuteil, wobei die Diskrepanz zwischen den Pling-Plong-Tönen und den Rocksounds der Originale ihre komische Wirkung nicht verfehlt.
 
Im deutschsprachigen Raum sind Coconami die Speerspitze des neuen Trends. Das japanische Musikerehepaar aus München hat dem Rock ‘n’ Roll adé gesagt, ihre E-Gitarren bei Ebay versteigert, um eine unbeschwerte, heitere Musik zu machen - mit Ukulele. Nami singt wie ein Vogel beim Sonnenaufgang, nur lieblicher, während Miyaji auf den Saiten zirpt. Ob bayrisches Landler-Lied, japanische Folkmelodie oder ein Punk-Song  - Coconami machen die Ukulele zum kulturübergreifenden Weltenversöhner. “Jeder sollte eigentlich eine Ukulele besitzen,” meint Eddie Vedder. “Die Leute müssen sich ausdrücken können, das braucht es einfach!”

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